Nochmal zu Kauder und seinem Verständniss von Grundrechten

Eigentlich will diese Typen ja möglichst ignorieren (wobei das vermutlich egal ist, die Medien müssten diese Typen eigentlich mit Nichtbeachtung versehen) aber manchmal darf man einfach nicht schweigen.

Siegfried Kauder hat ja letzte Woche eine Einschränkung der Pressefreiheit gefordert. Der Aufschrei der Presse und der Berufsverbände – wie dem DJV – hat diesbezüglich nicht lange auf sich warten lassen; naja, dass die Bloggospäre drauf anspringt, ist normal.

Aber von Anfang an. Was hat Kauder eigentlich gesagt?

Letzten Freitag (02.09.), forderte Kauder “abschreckende Strafen für Weitergabe behördlicher Geheimnisse

Nach dem Datenleck bei der Internet-Plattform Wikileaks fordert der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Kauder, abschreckende Strafen für die Weitergabe behördlicher Geheimnisse. Die geltenden Regelungen seien unzureichend, sagte der CDU-Politiker der ‘Neuen Osnabrücker Zeitung’. Künftig müsse jede Veröffentlichung tabu sein, die Menschen in Gefahr bringen könne. Die Pressefreiheit sei ein hohes Gut, aber auch für sie gebe es Grenzen, betonte Kauder. Zuvor waren im Netz unbearbeitete Versionen geheimer US-Botschaftsdepeschen aufgetaucht. Sie enthalten auch die Daten von mehr als 100 Informanten, denen in ihren Heimatländern jetzt möglicherweise Repressalien drohen. (Link vom Autor ergänzt)

Auf Abgeordnetenwatch hat S. Kauder 2 Fragen zum Thema “Pressefreiheit” beantwortet. darunter sind 2 recht interessante Sätze zu finden:

“[…] Mir geht es darum, dass die Medien verantwortlich mit Ihnen zugespielten Informationen umgehen. Und dabei ergibt sich ein Problem: Ich bin seit sieben Jahren Mitglied in wechselnden Untersuchungsausschüssen. In keinem einzigen Untersuchungsausschuss ist es gelungen, zu verhindern, dass Geheimnisse nach außen sickern. […]”

“[…] Es gibt nicht nur die Pressefreiheit, sondern es gibt auch einen Anspruch des Bürgers auf innere Sicherheit. Diese Grundrechte sind gegeneinander abzuwägen. Das Recht auf innere Sicherheit ist ein grundrechtsgleiches Recht. […]”

Nun stellt sich die spannende Frage: Woher kommt dieses “Grundrecht auf innere Sicherheit”, dass Herr Kauder so elegant aus dem Hut zaubert? Schaut man sich unser Grundgesetz an, gibt es keinen einzigen Artikel, der so ein Grundrecht irgendwie postuliert. Man könnte also höchstens annehmen, dass es sich um ein abgeleitetes Grundrecht handelt – vergleichbar mit dem vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil geschaffenen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. In diesem Falle wäre das Recht auf “innere Sicherheit als grundrechtsgleiches Recht” abgeleitet vom Grundrechten wie der Menschenwürde (Artikel 1 (1) GG) und dem Grundrecht auf “Leben und körperliche Unversehrtheit” (Artikel 2 (2) GG). So weit, so gut könnte man sagen.

Nun kommt aber das große Aber: Wen sollen die Grundrechte vor Wem schützen? In ihrem Grundkonzept sind die Grundrechte ein Abwehrrecht des Bürgers gegenüber dem Staat und seinem Gewaltmonopol. Wenn also Herr Kauder ein “Grundrecht auf innere Sicherheit” postuliert (Am Rande bemerkt: So etwas können eigentlich nur Gerichte machen, aber das scheint Herrn Kauder nicht zu stören) und damit Maßnahmen wie Einschränkung der Pressefreiheit oder die Vorratsdatenspeicherung fordert, so nimmt er unsere Abwehrrechte und wendet diese gegen uns. Wie gut das funktioniert, hat @crackpille in seinem Blogartikel “Datenschutz als Falle”, auf den ich im letzten Post verlinkt habe, schön beschrieben:

Über David und Goliath

Mir sei an dieser Stelle ein kurzer rechtlicher Exkurs gestattet, denn wenn man den dahinterstehenden Trick einmal verstanden hat, kann man ihn sehr viel leichter auch in anderen Konstellationen wiedererkennen.

Das, was hinter der ganzen Diskussionssuppe Datenschutz eigentlich steht, ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Grundrechte wiederum sind Abwehrrechte gegen den Staat. Das bedeutet sie sind dazu bestimmt, grundlegende Freiheitsräume der Bürger gegen den Staat zu schützen und diesen in seiner Machtausübung zu binden

Bildhaft gesprochen kommt Goliath (der Staat) in seiner Allmacht auf den wehrlosen kleinen David (den Bürger) zugestapft, der aber nicht erzittern muss, sondern das Grundgesetz zücken und damit die Angriffe von Goliath mühelos parieren kann. “Nein Goliath, du kriegst meine Daten nicht, denn meine Grundrechte schützen mich vor dir!”

Und jetzt ist es passiert, dass Goliath dieses Grundrecht nimmt, dass eigentlich David schützen soll, und sagt: “Siehe David, du hast ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Und deshalb muss ich jetzt Facebook und dir vorschreiben, was du mit deinen Daten tun und lassen darfst – nicht, dass deiner informationellen Selbstbestimmung etwas zustößt…” So wird das Grundrecht, dass eigentlich einen Freiheitsraum schützen soll zur Rechtfertigung, eben diesen Freiheitsraum zu beschneiden.

Böse formuliert könnte man sagen: Herr Kauder (aber auch andere Innenpolitiker) benutzen den Begriff “innere Sicherheit” als Kampfbegriff gegen unsere, als Abwehrrechte gedachten Grundrechte. Ich frage mich, ob sich diese Leute über die Gefahr ihres Verhaltens im Klaren sind. Ich will nicht soweit gehen und diese Leuten Verfassungsfeindlichkeit unterstellen, aber ein klares Bekenntnis (im Denken, Handeln und Reden) zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung sieht für mich anders aus.

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